Was Microsoft von Langnese lernen kann
Liebe Leserin, lieber Leser,
es geht wieder aufwärts für alle Wintermuffel. Also Menschen wie mich, die froh sind, wenn die kalte Jahreszeit sich dem Ende neigt und der Frühling naht. Untrügliches Kennzeichen dafür ist nicht etwa das wärmere Wetter. Nein, in den Eisdielen meiner Stadt wird wieder Eis verkauft statt Lebkuchen!
Und der Kiosk ums Eck hat seine Tiefkühltruhe wieder mit diversen Eissorten gefüllt – ein Angebot, das in den ersten warmen Tagen auf sichtbare Nachfrage stößt: Eine lange Warteschlange hat sich gebildet. Die Mutter ganz vorn bestellt „Bitte zwei Magnum Gold“ für ihre Zwillinge, sicher nicht ahnend, dass „Magnum ... als Kleineis für die Zielgruppe der Erwachsenen bis 40 entwickelt“ wurde, wie Wikipedia weiß. In den Händen der beiden geschätzt Vierjährigen wirken die Magnum-Exemplare allerdings nicht wie „Klein“-Eis. Sie machen eher dem Namen „Magnum“ die Ehre: Auf Lateinisch bedeutet das „groß“.
Die junge Dame vor mir will ebenfalls ein Eis. „Haben Sie auch Magnum Mandel?“ Kein Problem, meint der Kioskbesitzer, die Truhe sei noch ganz voll. Schließlich bin ich dran. „Ebenfalls ein Magnum, bitte“. Er schaut mich groß an. „Guter Mann, was darf’s denn sein? Classic, Mandel, Magnum Weiß, Gold oder Yoghurt?“ fragt er grinsend. Hoppla, ich wusste gar nicht, wie viel Magnum-Sorten es gibt. Es gäbe noch mehr, klärt er mich auf, doch die Becher-Variante verkaufe sich bei ihm nicht so gut. Ich bin beeindruckt und verlange verwundert ein „Classic“. Bislang dachte ich, die gute, alte, erste Magnum-Sorte würde einfach nur „Magnum“ heißen, ohne Zusatz.
Jetzt weiß ich es besser. Aber Sie wundern Sie sich vielleicht, was ich Ihnen eigentlich mitteilen will, schließlich ist das hier kein Werbe-Newsletter von Langnese. Ganz einfach: Ich wunderte mich neulich über etwas ganz anderes. Wundern wäre sogar untertrieben – ich rieb mir die Augen, als ich in Windows 8 den Windows-Explorer bediente und von dort aus die Online-Hilfe bei Microsoft aufrief.
Da war nämlich von „Datei-Explorer“ die Rede. Schwarz auf Weiß war zu lesen: „Mit dem Datei-Explorer (zuvor Windows-Explorer genannt) können Sie Speicherorte auf Ihrem PC und im Netzwerk durchsuchen und mit Dateien und Ordnern arbeiten.“ Ungläubig las ich den Hilfe-Text. Von heute auf morgen hat Microsoft offenbar den Windows-Explorer umbenannt, der eine Institution war seit vielen Windows-Generationen!
Nur hat man die neue Namensgebung leider nicht konsequent umgesetzt. Tippe ich beispielsweise auf dem Startbildschirm von Windows 8 das Wort „Explorer“, werden mir zwei Apps, sprich Programme angezeigt: der „Internet Explorer“ und ein „Explorer“ ohne Zusatz; kein „Windows-Explorer“ und auch kein „Datei-Explorer“. Dass der Windows-Explorer fehlt, ist verständlich, wenn das Programm jetzt anders heißen soll. Dass hier aber ein nackter „Explorer“ auftaucht und der in der Hilfe-Funktion genannte „Datei-Explorer“ gar nicht, ist mehr als unglücklich. Dieser Begriffs-Wirr-Warr wird viele Anwender verwirren, zumal es ja noch den „Internet Explorer“ gibt.
Liebe Entwickler bei Microsoft, so ganz unrecht wäre es mir nicht, wenn ihr euch entscheiden könntet, wie das Programm nun heißen soll. Schließlich bekomme ich am Kiosk auch kein Eis in die Hand gedrückt, wenn ich nur „Magnum“ bestelle. Als Fachjournalist darf ich diesen begriffstechnischen GAU sogar ausbaden. Schlimm genug, wenn nach gefühlten Jahrzehnten die gleiche Software plötzlich anders heißt. Doch dass der Hersteller selbst sein Produkt mal so und mal so nennt, geht gar nicht.
Soll ich denn ab jetzt schreiben „Öffnen Sie den Datei-Explorer (ehemals Windows-Explorer) oder vereinfacht gesagt Explorer…“? Oder soll ich sagen „Öffnen Sie unter Windows 8 den Datei-Explorer beziehungsweise unter Windows 7, Vista und XP den Windows-Explorer beziehungsweise unter allen Windows-Versionen den Exlorer…“? Ganz ehrlich: Selbst die Variante ohne den Solo-Explorer wird nicht funktionieren – da drehen unsere Leser durch und wir in der Redaktion ebenfalls. Daher haben wir beschlossen, vorerst konsequent weiter von „Windows-Explorer“ zu reden.
Eines allerdings gebe ich zu: „Datei-Explorer“ ist in gewisser Weise der bessere Begriff, auch im Sinn des englischen Herkunftswortes „to explore“, zu Deutsch erkunden, erforschen, durchforsten. Schließlich geht es darum, Dateien aufzustöbern und Ordner zu durchforsten, und weniger darum, Windows zu erkunden.
Trotzdem: Würde Langnese „Magnum Classic“ in „Magnum Modern“ umtaufen, würde der Produzent sein Eis sicher nur noch in einer Verpackung ausliefern: eben als „Magnum Modern“. „Magnum Classic“ wäre verschwunden und „Magnum“ gab es noch nie. Vielleicht sollte sich Microsoft einmal mit Langnese unterhalten. Alternativ könnte ich ein Gespräch mit meinem Eisverkäufer vermitteln. (wsc)
Mit den besten Grüßen aus unserer Redaktion
Dr. Wolfgang Scheide (wsc)
Dipl.-Ing.(FH) Markus Hahner (mha)
Grüße
sunny78
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