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Daten-Selbstbedienungsladen Internet

#1 von sunny78 , 29.06.2013 01:47

Daten-Selbstbedienungsladen Internet

Liebe Leserin, lieber Leser,

der gute alte Brief hatte einen Vorteil – er war verschlossen. Wer ihn heimlich öffnen wollte, um unbemerkt an den Inhalt zu gelangen, musste sich zumindest etwas Arbeit machen. Anders im Internetzeitalter: Da greift, wie dieser Tage bekannt wurde, der britische Geheimdienst direkt auf Hauptschlagadern der deutschen Internetkommunikation zu.

Schon praktisch solche dicken Datenleitungen, vor allem, wenn sie durch eigenes Territorium führen. Doch was gibt Großbritannien (und den USA) das Recht, deutsche Bürger und Unternehmen großflächig abzuhören? Ihre und meine E-Mails zu speichern und zu analysieren? Bis zu 600 Millionen Telefonverbindungen täglich zu erfassen?

Das wollte jetzt auch Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger von der britischen Regierung wissen. Die vorläufige dürftige Antwort: Das sollen doch bitteschön die Geheimdienste untereinander regeln. Klingt irgendwie lustig, aber ich bin „not amused“.

Eine derart brachiale Abhöraktion wie das Spionageprogramm Tempora mag nachvollziehbar erscheinen, wenn es um die Kommunikation eines Feindeslandes geht. Aha, jetzt verstehe ich langsam die Sicht mancher Verantwortlichen im Königreich – Deutschland ist wohl Feindesland, oder zumindest sind alle seine Bewohner, die telefonieren oder sich via Internet austauschen, potenzielle Terroristen. Viele haben geahnt, dass sich das Ausmaß an Online-Überwachung kaum erahnen lässt. Doch wer hätte geahnt, wie weit sie wirklich reicht? Darauf, dass Orwells Ideen viel zu harmlos waren, hat mein Kollege Markus Hahner neulich hingewiesen. Doch jede neue Enthüllung, die auf den ehemaligen NSA-Mitarbeiter Edward Snowden zurückgeht, beweist: Die Wirklichkeit der Datenüberwachung übertrifft jede Phantasie des Normalbürgers.

Als solcher wünschte man sich, die gewählten deutschen Politiker würden sich erheben und sagen: „So nicht, nicht mit uns“. Ich fürchte, das können wir vergessen. Beim Besuch des amerikanischen Präsidenten neulich – eine perfekte Gelegenheit das Thema anzusprechen – verhielt sich beispielsweise Kanzlerin Merkel mucksmäuschenstill. Und ob die ausstehende Antwort auf Frau Leutheusser-Schnarrenbergers Brief an die britische Regierung Konsequenzen zeitigt, wage ich zu bezweifeln.

Mit Verwunderung sehe ich auch, wie Teile der Presse, namentlich etwa die BILD-Zeitung, die anglo-amerikanische Rhetorik aufgreifen und den 30-jährigen Skandalaufdecker als „Spion“ bezeichnen. Meiner Meinung nach tun solche Menschen jedoch mehr für die Freiheit der Bürger als die angeblichen Repräsentanten ganz oben oder gar Verantwortliche von Nachrichtendiensten.

Eines ist sicher: Von Spionageprogrammen wie Tempora oder Prism wüssten wir ohne den Informanten Snowden nichts. Mit „wir“ meine ich Leute wie Sie und mich. Denn ob entsprechende deutsche Behördenvertreter davon ebenfalls nichts wussten, darauf würde ich nicht wetten. Vielleicht verrät uns ja eines Tages ein deutscher „Whistleblower“, was hierzulande Sache ist.

Die landläufige Reaktion auf die Dauerüberwachung nach dem Motto „Ich habe ja nichts zu verbergen“ ist leider nicht hilfreich: Denn bei der Dauerüberwachung werden so ganz nebenbei auch Firmengeheimnisse erfasst. Welche Unternehmen haben Interesse, dass ihre Forschungsergebnisse von anderen missbraucht werden? Dass andere die aufwändig erarbeiteten Lösungen umsetzen, während die hiesigen Firmen in die Röhre schauen und eventuell ganz dicht machen müssen?

Auch uns „Privatleuten“ sollte nicht egal sein, wenn unsere persönlichen Daten gegen uns eingesetzt werden. Beispielsweise könnte eine Versicherung aus heiterem Himmel abgelehnt werden – weil die Firmenzentrale in Übersee mal ein bisschen in den Daten gewühlt und festgestellt hat, dass wir uns über bestimmte Krankheiten im Internet informiert haben (ohne jedoch selbst krank zu sein!). Voreilig Schlüsse zu ziehen ist leicht – diese aus der Welt zu schaffen für die Betroffenen dann fast nicht mehr möglich. (wsc/mha)

Mit den besten Grüßen aus unserer Redaktion

Dr. Wolfgang Scheide (wsc)
Dipl.-Ing.(FH) Markus Hahner (mha)


Quelle des Berichtes: http://www.pc-magazin.de/news/internet-e...dium=newsletter

Grüße
sunny78


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